Das Projekt Spinne sein—Virtuelle Realitäten als Lern- und Erfahrungsräume
Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Welt aus der Perspektive einer Spinne erleben und sich ihrer Sinneswahrnehmung annähern. Als Vierfleck-Zartspinne gehen Sie in der Nacht auf Insektenjagd. Sie spüren diese auf mit Hilfe von hochsensiblen Sinneshaaren, die Luftströmungen wahrnehmen, sowie mit Spaltsinnesorganen, die feinste Vibrationen registrieren. Die Virtual Reality Installation ist als Teil der Ausstellung «Museum of the Future» von September 2025 bis Februar 2026 im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen.
Das Forschungsprojekt
Nutzer:innen verkörpern in Virtual Reality (VR) eine jagende Vierfleck-Zartspinne. Sie fangen Insekten, indem sie auf Windströme des Flügelschlags von Nachtfaltern (Ventilatoren) oder auf Vibrationen von Läusen und Heuschrecken auf dem Ast (Controllervibrationen) achten. Auch der Orientierungssinn wird herausgefordert, da sich die Besucher:innen in alle Richtungen auf einem Ast bewegen und über Kopf gehen können. Der Grössenunterschied wird den Besucher:innen bewusst, wenn sich die Baumrinde als neue Landschaft mit ihren Bewohnern auftut.
Anhand der VR-Installation sollen die Thesen überprüft werden, ob 1. die Einstellung des Menschen gegenüber Spinnentieren positiv beeinflusst werden kann und 2. wie groß das Potential ist, durch ein multisensorisches VR-Erlebnis für Biodiversität und Artenschutz zu sensibilisieren. Ziel ist es, durch Wirkungsforschung neue Erkenntnisse über die Sensibilisierung für den Artenschutz und den Umgang mit der Biodiversitätskrise zu gewinnen.
Das Forschungsprojekts basiert auf dem audiovisuellen VR-360°-Film der Masterarbeit von Barbara Schuler «Mit den Sinnen einer Spinne – Ein arachnozentrisches Erlebnis» Gefördert durch interne Projektmittel wurden 2022-2023 zwei interaktive Virtual-Reality-Prototypen entwickelt, die zum immersiven Eintauchen in die Lebenswelt der Spinne einladen. 2024 erhielt die Forschungsgruppe Knowledge Visualization der ZHdK gemeinsam mit dem psychologischen Institut der ZHAW Fördermittel durch die Digitalisierungsinitiative des Kantons Zürich (DIZH) für ein mehrjähriges Forschungsprojekt.
Die Sinneswahrnehmung und das Leben der Vierfleck-Zartspinne
Die in der Schweiz heimische Vierfleck-Zartspinne (Anyphaena accentuata) lebt auf Laubbäumen und Sträuchern. Nachts sitzt sie auf Bäumen, wo sie auf Beute lauert. Mit ihrem hochsensiblen Sinn für Luftströmungen kann sie Luftbewegungen von fliegenden Insekten wahrnehmen, diese orten und mit einem gezielten Sprung fangen. Die Wahrnehmung erfolgt über Becherhaare: lange, hauchdünne Härchen, die so empfindlich sind, dass sie bereits durch wenige Luftmoleküle zum Oszillieren gebracht werden. Mit ihrem ebenso empfindlichen Vibrationssinn nimmt sie auf der Pflanze laufende Insekten wahr und ergreift sie, sobald sie ihr nahe genug kommen.
Biodiversität und das 6. grosse Artensterben
Das aktuelle, vom Menschen verursachte Massenaussterben (Ceballos et al., 2017) betrifft insbesondere Insekten, Spinnen und andere Kleinlebewesen. Eine vielbeachtete Langzeitstudie belegt, dass die Biomasse gefangener Fluginsekten in deutschen Naturschutzgebieten innerhalb von 27 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen ist (Hallmann et al., 2017). Angesichts dieser alarmierenden Fakten stellt sich die Frage, wie wir alle bedrohten Arten besser schützen und einen respektvollen Umgang mit unseren Mitgeschöpfen finden können. Mit modernster Technik zeigen wir einen Weg auf, wie Menschen sich in die Perspektive der Spinne hineinversetzen und für ihre Lebensweise sensibilisiert werden können.
Mit dem sinnlichen, interaktiven VR-Erlebnis und spannenden Fakten wird das Interesse eines allgemeinen Publikums für kleine und unscheinbare Lebewesen geweckt. Es kann dabei etwas über die Sinneswahrnehmung und Lebensweise einer frei jagenden Spinne, sowie zu deren Rolle im Ökosystem lernen.
Ausstellung «Museum of the Future»
Die multisensorische, interaktive VR-Experience «Spinne sein» wird ab September 2025 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, als Beitrag zum Forschungs- und Kommunikationsprojekt «Museum of the Future» des Museums für Gestaltung Zürich und des Naturhistorischen Museums der Universität Zürich.
Ausstellungstournee ab 2026/27
Geplant ist, dass die VR-Installation in mehreren Schweizer Naturmuseen gezeigt wird. Als weitere Einsatzmöglichkeiten werden Auftritte an Events, Festivals, Konferenzen und Messe- Auftritte in Betracht gezogen.